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Deutsche Welle: Brasiliens neuer Präsident Lula da Silva: Totgeglaubte leben länger

Er hat es wieder geschafft: Luiz Inácio Lula da Silva ist für eine dritte Amtszeit als Brasiliens Präsident gewählt.

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Veröffentlicht bei der Deutschen Welle am 30/10/2022

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Er hat es wieder geschafft: Luiz Inácio Lula da Silva ist für eine dritte Amtszeit als Brasiliens Präsident gewählt. Mit einem solchen Comeback hatte zwischenzeitlich wohl niemand gerechnet.

580 Tage lang saß er wegen Korruption im Gefängnis. Nach dem Wahlsieg über Jair Bolsonaro ist er Brasiliens Präsident – zum dritten MalLuiz Inácio Lula da Silva, von seinen Landsleuten schlicht Lula genannt, galt nach seiner Verurteilung als politisch tot. Dann erklärte der Oberste Gerichtshof Brasiliens die Urteile wegen eines Formfehlers für ungültig, und Lula startete ein fulminantes Comeback.

Vom Mittellosen zum Parteigründer

Es war nicht das erste Mal, dass sich der Mann aus einer Kleinstadt des Bundesstaates Pernambuco im armen Nordosten des Landes aus widrigen Umständen befreite und hocharbeitete. Geboren am 27. Oktober 1945 als siebtes von acht Kindern armer Landarbeiter reiste er mit sieben Jahren auf der Ladefläche eines Lastwagens zusammen mit Mutter und Geschwistern in die Wirtschaftsmetropole São Paulo. Der Vater war bereits dort, um der Familie ein besseres Leben zu erarbeiten.

Doch es reichte nicht. Lula musste schon früh zum Einkommen der Familie beitragen und besuchte deshalb nur wenige Jahre die Schule. Eine Ausbildung zum Metallfacharbeiter brachte ihn mit der Gewerkschaftsbewegung in Kontakt, in der sich Lula als Führungspersönlichkeit etablierte. 1980 – mitten in einer rechten Militärdiktatur – nutzten er und seine Mitstreiter die Unzufriedenheit der Gewerkschaften und verschiedener sozialer Gruppen, um den „Partido dos Trabalhadores“, die Arbeiterpartei PT zu gründen.

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Freut sich über die Stimmenmehrheit Luiz Inácio Lula da Silva
Half Brasiliens Wirtschaft und stand im Zentrum eines riesigen Korruptionsnetzwerks der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras

Goldene Zeiten als Präsident

Nach der Re-Demokratisierung Brasiliens ab 1985 kandidierte Lula da Silva dreimal erfolglos für das Präsidentenamt. Erst bei den Wahlen 2002 gelang ihm der Sprung in den Regierungspalast. In seinen acht Jahren als brasilianischer Staatschef schuf er ein beachtliches politisches Vermächtnis, das auch politische Gegner anerkennen.

Mit einer ausgeklügelten Außenpolitik brachte er Brasilien anderen lateinamerikanischen Staaten näher und verlieh dem Land im Rahmen der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) globales Gewicht. 2004 bildete Brasilien mit Deutschland, Japan und Indien die sogenannten G4, die eine ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrats anstreben.

Vor allem aber gab er den Brasilianern ein neues Selbstbewusstsein und trieb ihnen den „Straßenköter-Komplex“ aus, den sie sich und ihrem Land jahrzehntelang attestiert hatten.

Wirtschaftlicher Aufschwung für Millionen

Am bekanntesten aber war Lula wohl für seine Sozialprogramme. Mit der „Bolsa Familia“ („Familienkasse“), die Sozialhilfe für arme Familien an den Schulbesuch der Kinder knüpfte, und anderen Programmen stiegen während seiner zwei Amtsperioden um die 20 Millionen Landsleute aus der Unter- in die Mittelschicht auf.

Flankiert wurde dies von einem unvergleichlichen Höhenflug von Brasiliens halbstaatlichem Mineralölkonzern Petrobras, der neue Ölfelder entdeckte und innovative Fördertechniken entwickelte. Die Weltwirtschaftskrise von 2008 traf Brasilien, das wirtschaftlich weiterhin eher isoliert war, deutlich weniger hart als andere Länder der Region. 2010 wuchs Brasiliens Bruttoinlandsprodukt sogar um 7,5 Prozent – laut der Weltbank der stärkste Anstieg in dem südamerikanischen Land seit 1986.

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Freut sich über die Stimmenmehrheit Luiz Inácio Lula da Silva

Die Macht der PT hält an

Die Jahre der Euphorie gipfelten darin, dass Brasilien zum Austragungsort der Herren-Fußballweltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016 auserkoren wurde.

Seine Sozialpolitik, die florierende Wirtschaft und nicht zuletzt sein Charisma bescherten Lula zeitweise Rekordzustimmungsraten von 87 Prozent. Lulas Beliebtheit war so groß, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen 2010, bei denen er verfassungsgemäß nach zwei Amtsperioden nicht antreten durfte, maßgeblich half, seiner eher farblosen Wunschnachfolgerin Dilma Rousseff die Präsidentschaft zu bescheren.

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Die langen Schatten des Erfolgs

Die Schattenseiten seiner Präsidentschaft konnten Lula lange Zeit nichts anhaben. Bereits im Juni 2005 kam heraus, dass Regierungsmitglieder Abgeordneten monatlich Geld überwiesen, um parlamentarische Mehrheiten zu erkaufen. Die Aufarbeitung dieses sogenannten Mensalão-Skandals brachte viele promintente Politiker hinter Gitter. Lula selbst konnte nie auch nur eine Mitwisserschaft nachgewiesen werden.

Ohnehin dauerte der Prozess Jahre. Erst 2012 wurde Lulas Kabinettschef José Dirceu als Kopf des parteiübergreifenden Bestechungsnetzwerks verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt war Lula bereits in den Hintergrund getreten, auch weil er 2011 an einem später geheilten Kehlkopfkrebs erkrankte.

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Wiedervereint im Wahlkampf 2022 Lulas Wunschnachfolgerin Dilma Rousseff wurde 2010 und 2014 zur Präsidentin gewählt aber im Zuge der Korruptionsaffären der PT 2016 des Amtes enthoben

Stolpersteine, Skandale und Machtverlust

Der große Abstieg seiner Partei begann 2013. Wachsender Unmut über eine Wirtschaftskrise und Zweifel an den Vorteilen der näher rückenden Großereignisse (Fußball-WM 2014 und Olympia 2016) in breiten Teilen der Bevölkerung brachen sich ein Jahr vor der WM in landesweiten, teils gewaltsamen Protesten Bahn.

Ein knappes Jahr später, im März 2014, begann mit der „Operação Lava Jato“ („Operation Waschstraße“) der größte Korruptionsprozess der Landesgeschichte. Er deckte ein weitverzweigtes Netz institutionalisierter Untreue und Geldwäsche rund um den Ölkonzern Petrobras auf, in deren Zentrum die PT und mehrere andere Parteien standen.

Bei den Wahlen im Oktober 2014 zeigte sich Brasiliens Bevölkerung daraufhin so tief gespalten wie seit Jahrzehnten nicht. Zwar wurde Rousseff mit einem hauchdünnen Vorsprung von nur 3,3 Prozentpunkten wiedergewählt. Letztlich brachte der neuerliche Korruptionsskandal die PT zu Fall: Im August 2016 wurde Rousseff des Amtes enthoben.

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Der politische Tod per Gerichtsurteil

Doch schon 2017 begab sich Lula da Silva wieder auf Wahlkampftour für die Präsidentschaftswahl Ende 2018. Allerdings war er einer der Beschuldigten in den anhaltenden Lava-Jato-Ermittlungen. Der Vorwurf: Lula habe sich eine Luxuswohnung aufwändig renovieren lassen – als Gegenleistung für lukrative Aufträge von Petrobras an das Bauunternehmen OAS. Lula beteuerte stets seine Unschuld und bezeichnete das Verfahren gegen ihn als politische Hetzjagd, die nur dazu diene, seine Kandidatur zu verhindern.

Doch es half nichts. Der Ex-Präsident wurde für schuldig befunden und zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Als er die Haftstrafe am 7. April 2018 antrat, führte er die Meinungsumfragen für die Wahlen haushoch an. Doch diesmal reichte sein Glanz nicht, um dem Ersatzkandidaten der PT, dem ehemaligen Bürgermeister der Wirtschaftsmetropole São Paulo, Fernando Haddad, zum Sieg zu verhelfen.

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Lula Anhänger bei einer Kundgebung am Tag der Arbeit im Mai

Triumphale Rückkehr an die Macht

Während der rechtspopulistische Aufsteiger Jair Bolsonaro das Präsidentenamt übernahm, ging Lula da Silvas Fall weiter durch die Instanzen. Im April 2021 hob der Oberste Gerichtshof letztlich alle vier Korruptions-Urteile gegen Lula auf, da das Gericht in Curitiba, das die Prozesse geführt hatte, nicht zuständig gewesen sei.

Damit erhielt Lula da Silva seine politischen Rechte zurück – und von denen machte er alsbald Gebrauch und trug sich als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2022 ein. Aufgrund seiner Verwicklung in zahlreiche Korruptionsfälle ist Lula Da Silva allerdings nicht mehr der große Konsenspräsident von einst. Viele dürften ihn vor allem gewählt haben, weil er von Anfang an als aussichtsreichster Kontrahent von Amtsinhaber Bolsonaro galt. Das geringere Übel sozusagen.

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